Brrrr…. ist das noch kalt

Ab etwa Mitte Mai und im Sommer freuen wir uns darüber, endlich ohne Trockenanzug zu paddeln, und die Strände füllen sich mit Badenden. Die graue kalte Jahreszeit ist schnell vergessen. Sie kommt aber wieder, und dann wird das Thema Kälteschutz wieder aktuell.  Auch in der Übergangszeit, so im April,  kann die warme Lufttemperatur an schönen Tagen über die noch kalte Wassertemperatur der Ostsee von 10 Grad (oder weniger) hinweg täuschen. Mittlere Temperaturen der westlichen Ostsee zeigt die Grafik (Quelle: Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie; http://www.bsh.de/de /Meeresdaten/Beobachtungen/MURSYS-Umweltreportsystem/Mursys_031/seiten/oswitt01.jsp).

An solch schönen Tagen im April sieht man alle Variationen der Bekleidung auf der Kieler Förde: Manche Ruderer sind schon in T-Shirts und Shorts unterwegs, neben in Trockenanzügen schwitzenden Paddlern und SUP’lern in dicken Neoprenanzügen. Zur Abkühlung werden dann gern die Unterarme ins kalte Wasser getaucht. Bei einer Kenterung in kaltem Wasser kann es ernst werden. In der Vereinszeitschrift des HDK (Paddelblatt 78, 2016) berichtete dazu ein Mitglied über das Erlebnis einer Kenterung mit dem Seekajak im 7°C kalten Wasser der Kieler Förde. Bei Windstärke Stärke 6 Beaufort aus West, bekleidet mit einem zweiteiligen Aquashell-Anzug (entspricht etwa 3 mm Neopren), Surfboots, Paddelregenjacke, halbautomatischer  Rettungsweste (Secumar), geschah dies vor der Spundwand des Kieler Yachtklubs. Nach vergeblichen Versuchen des Wiedereinstiegs und Aufgabe des Bootes gelang es dem Gekenterten nur mit Mühe und fremder Hilfe auf den letzten Metern, das Ufer schwimmend und unterkühlt zu erreichen. Auch auf die Kenterrolle, die unter Übungsbedingungen beherrscht wird, kann man sich im „Ernstfall“ nicht unbedingt verlassen.

Ein Trockenanzug ist für Fahrten auf der Ostsee im Winterhalbjahr sinnvoll, und auch  in der Übergangszeit sollte man noch an Kälteschutz denken, besonders bei Wind und Wellen und bei Alleinfahrten. Die Wärmeleitfähigkeit von Wasser ist etwa 25 mal höher als die von Luft , die wegen ihrer schlechten Wärmeleitung isoliert (daher „Trockenazug“). Das kalte Wasser entzieht die Wärme rasch, wenn es am Körper vorbei strömt und so die Wärme ständig mitnimmt. Das Tragen von Schutzkleidung und das Zusammenkauern beim Treiben im kalten Wasser vermindern die Wärmeverluste. An kalter Luft, also an/auf einem gekenterten Boot, ist man zwar noch besser dran als im Wasser, aber dann droht bei ablandigem Wind das Abtreiben. In der Gruppe sind wir Paddler besser abgesichert als bei Alleinfahrten; das Aufrichten und Entleeren des Bootes und den Wiedereinstieg mit fremder Hilfe kann (und sollte) man im Sommer zusammen üben. Pumpe und Paddelfloat sind dabei nützliche Hilfsmittel.

Ein lesenswerter Artikel zur Problematik der Unterkühlung findet sich in der DKV-Zeitschrift Kanusport, Jahrgang 2009, Heft 11 (zu finden in der Vereinsbibliothek). Wenn man ohne Schutzkleidung in Wasser fällt, das kälter als 15 Grad ist, entsprechen demnach die Minuten der so genannten Nutzzeit etwa der Wassertemperatur (bei 7 Grad Celsius also 7 Minuten). In dieser Nutzzeit kann man noch selbständig handeln, also den Wiedereinstieg ohne fremde Hilfe versuchen; danach ist man auf fremde Hilfe angewiesen. Die Überlebenszeit bei einer Wassertemperatur von 7 Grad beträgt etwa eine Stunde, aber man ist deutlich früher erschöpft und nur sehr eingeschränkt handlungsfähig.  So schön es auf dem Wasser im Winter und in der Übergangszeit sein kann (Foto: Lanker See mit Eisdecke), den Kälteschutz sollte man dabei nicht vergessen.