Jütlandreise 2018
Im heißen Juli 2018 paddelten wir (2 HDK’ler, Christian und Johann) entlang der Ostküste von Jütland nordwärts. Ob es die starke UV-Strahlung, die Wärme oder einfach Zufall war, es gab auf dieser Tour eine Reihe seltsamer Begegnungen und Erlebnisse. Die Skizzen und Beschreibungen geben einige Eindrücke wieder.
1.Tag. An der alten Kirche in Neukirchen summen Bienen in den Linden und daneben führt eine steile Treppe hinunter zum Strand der Flensburger Förde; hier schließe ich mich Christian an, der mit „Alberta“ bereits von Kiel aus losgepaddelt ist. Wir queren nach Dänemark, rechts liegt der Leuchtturm Kalkgrund im gleißenden Licht und vor uns erheben sich die Hügel von Düppel mit der weißen Windmühle und einer großen wehenden dänischen Fahne. Ab Sonderburg bietet das linke Ufer des Alsensundes Schutz vor dem böigen Westwind. Ein gelbes Quietscheentchen ist an einen Steg angebunden und auf einem Pfahl steht ein metallener Vogel mit einem wehenden Seidenschal, der aber die Möwen von den übrigen Sitzgelegenheiten nicht vertreiben kann. Am Nordende des Alsensundes liegt am Steg vertäut das Wikingerschiff Nydam Tveir (Nachbau, das Original liegt in Schloss Gottorf). Der Drache am Namenszug und ein ernster hölzerner Wikingerkopf raten uns, auf Arnkil zu zelten und nicht weiter gegen den Wind anzupaddeln.
2.Tag. In der Morgenfrühe tönt Gebell von Rehen aus den Nebelschwaden, die über der braun versteppten Wiese am Naturzeltplatz hängen. Später weht uns aus dem Alsenfjord steter Gegenwind in die Gesichter, der die Fähre „Bitten Clausen“ aber nicht davon abhält, geschäftig zwischen Alsen und Ballebro (Jütland) hin- und her zu pendeln. Bitten Clausen (1912 – 2016), geb. Dorothea Emma Andkjær, war die Frau des Danfoss-Gründers Mads Clausen. Mitten im Alsenfjord liegt die Boje „Dyvik Badelaug“, doch wo ist der Badestrand dazu geblieben? Wir finden ihn am Südende des Abenraa Fjordes, wo Kinder in der Mittagshitze am Strand plantschen. Bei der Querung dieses Fjordes mit seinem fast spiegelglatten Wasser begegnet uns – pfufffff – ein Schweinswal, und vom fernen Ende der Bucht grüßt eine Art trojanisches Pferd aus Metall, ein riesiges Gestell, das neben einem Kraftwerk auf Pontons treibt. Nach kurzer Rast an einem einsamen bewaldeten Kap am Nordende des Fjordes queren wir zur Sommerinsel Barsö, deren Hafenbecken ein Junge mit Schwimmflossen und Taucherbrille absucht. Ein Lilienemblem ziert die verwitterte Fassade des Hafenhauses, die winzige Personenfähre legt an, so dass der wartende Trecker die wenigen Passagiere abholen kann. In der Abendsonne leuchten die Hänge der Steilküste von Jütland, die wir später ansteuern, um ein einsames Nachtlager unter sich neigenden Bäumen zu finden. Einsam? Nein, da kommt doch ein herrenloser Dackel durchs Gestrüpp und muss alles anbellen und beschnüffeln, bis Herrchen ihn doch irgendwann mit einem Kanu abholt.
3.Tag. Trinkwasser brauchen wir bei dieser Hitze – und bekommen es am sonnigen Morgen in einem Ferienlager für Jugendliche. Beim Lospaddeln wate ich versehentlich in Feuerquallen, was noch zwei Tage lang wie Brennnesselstiche zu spüren sein wird. Dann halten wir auf ein einsames heidebewachsenes Kap mit einem Strandsee zu, an dem ein gelbes Sperrkreuz vor einem Schießgebiet warnt (Brunbjerg). Das Wasser ist glatt, doch die Strömung zieht kräftig entlang des einsamen Strandes, wo Schwäne rasten und Möwen und Seeschwalben sich auf Pfählen von Stellnetzen ausruhen. Das Kontrastprogramm folgt später am Strand des Campingplatzes von Arösund: Menschengedränge, Trubel, laute Musik, bellende Hunde, ploppende Bierflaschen, schreiende Kinder, knallbuntes Spielzeug und Sonnenschirme, doch kann man hier einkaufen und die Vorräte ergänzen. Mit aufkommendem günstigen Wind und Hilfssegeln verlassen wir den Arösund und passieren das auf einer Sandbank gestrandete Wrack eines Kutters, welches nach Öl riecht. Beim Haderslev Fjord umschiffen wir die eben sichtbaren Steine einer Untiefe, kürzen auch die Hejlsminde Bucht ab, und lassen die einsame Insel Brandsö an Steuerbord im kleinen Belt liegen. Die bewaldete Küste von Jütland zeichnet sich links dunkel und schattig gegen den Abendhimmel ab, der Wind schläft ein und es wird etwas schwül. Da taucht ein glatter schwarzer Kopf aus dem Meer und beäugt uns Paddler neugierig, als sich kurz darauf das Meer heftig kräuselt und eine Bö unvermutet von vorne die Hilfssegel trifft. Wollte der Seehund uns warnen? Wir landen an einem schmalen Strand und errichten unser Lager an einer kleinen Hütte, die Kinder aus Binsen und Ästen errichtet haben.
4.Tag. Die Sonne steigt als roter Ball aus dem Meer. Ein gelbes Kajak mit einem älteren Mann taucht auf, der anlegt und sich unaufdringlich nach unserem Woher und Wohin erkundigt, nach den Booten und unserer Ausrüstung. Er ist ein früherer Seemann, der den kleinen Belt sehr gut kennt und früher oft nach Barsö zum Pfingstfest ruderte. Da der Fernseher in seinem Wochenendhaus streikt, weiß er leider die Wettervorhersage nicht. Wir packen und paddeln auf das Nordende des kleinen Beltes, den Snövring, zu. Es ist Sonntag, Verkehr und Besiedelung werden dichter, Motorboote, Segler und einige Schlepper sind unterwegs, und ein Boot hat eine ungewöhnliche Flagge mit blau-rotem skandinavischen Kreuz auf weißem Grund, nämlich die der Färöer-Inseln. Wir passieren Fänö auf der Ostseite; die Brücke von Middelfart dröhnt über uns, als die Eisenbahn sie passiert. Noch gewaltiger wirkt die Hängebrücke der Autobahn E20. Eine starke Nordströmung trägt unsere Boote allmählich dem weißen Leuchtturm von Strib entgegen, wo wir spätnachmittags am Strand anlegen.
Zwei Paddlerinnen kommen in Gegenrichtung kräftig paddelnd kaum gegen den Strom an. In der Enge des Snövring wirkt das Wasser sehr kabbelig und unruhig, große Strudel bilden sich und verschwinden plötzlich wieder. Wieder brauchen wir Trinkwasser und füllen Wassersäcke und Flaschen aus dem Gartenschlauch auf bei einem freundlichen Dänen, der uns sagt, dass wir bedenkenlos nach Fredericia queren können. Kurz entschlossen queren wir über Wellen und Strudel zum Öl- und Gashafen von Fredericia und halten dann in der Abenddämmerung nordostwärts entlang einer einsamen bewaldeten Steilküste auf Trelde Näs zu, das Kap am Ausgang des Vejlefjordes. Zwischen Bäumen, die ins Meer gestürzt sind und verwittern, liegt eine angetriebene gelbe Sperrgebietstonne am Strand. Hier handelt es sich um eine militärische Wildnis, ein Schießgebiet, das momentan nicht genutzt wird. Aus dem Vejle-Fjord bläst uns heftiger Wind entgegen, so dass wir auf Trelde Näs bleiben, wo Tisch, Bänke und ein Mülleimer vorhanden sind.
5.Tag. Knirsch knirsch knirsch pfeifhuiiiih PluPP…… Das Geräusch hat mir nachts, unter dem Tarp liegend, den Schlaf geraubt. Angler stiefeln den Kieselsteinstrand entlang und schleudern ihre Wurfangeln. Bis in die Morgendämmerung wiederholt sich das Geräusch einmal näher, einmal ferner. Der Morgen ist rau, grauer Himmel, Wolken, Wellen und Gegenwind versuchen uns aus dem Vejlefjord ins Kattegat hinaus zu drücken. Mühsam arbeiten wir dagegen an, die Boote stampfen in den Wellen, Steilküste, Ferienhäuser und ein rot-weißes Badehotel passierend. Dann entschließen wir uns, den Fjord nordwärts zu überqueren. Nach etwa einer Stunde haben wir die Überfahrt geschafft und legen am Strand an, wo eine bienenkorbartige Standhütte, kunstvoll aus Ästen geflochten, zum Rasten einlädt. Inzwischen ist es auch freundlicher geworden, die Sonne scheint. Wir setzen Hilfssegel und der leichte achterliche Wind treibt uns längs der bewaldeten Küste rasch auf Björnsknude und Juelsminde am Nordende des Fjordes zu. In der Ferne ziehen die Silhouetten voll aufgetakelter Traditionssegler vorbei, die um Fünen segeln, ein schöner Anblick. In Juelsminde ist es drückend heiß, Wohnmobile stehen dicht an dicht, Menschen drängeln sich um das Hafenbecken in Fischrestaurants und Eisdielen, Kinder spielen auf großen bunten aufgeblasenen Hüpfburgen und Rutschen, aber hier können wir einkaufen und einen Wasserhahn zum Füllen der Trinkflaschen nutzen. Bei schwüler Hitze verlassen wir den Strand von Juelsminde und halten auf das bewaldete spitze Kap Ashöved zu. Dort stürzt der Wald die Steilküste hinunter ins Meer, geflügelte Ameisen sind unterwegs, und Uferschwalben schwirren über den Strand, der voll gefallener Bäume liegt. Ein einzelner Bernsteinsammler ist an diesem einsamen Kap unterwegs und stiefelt über die gestürzten Baumstämme. Hier bleiben wir, als die Abendkühle kommt. Die von Christian errichtete Steinmole verschwindet bald im steigenden Wasser, das auch fast seinen Schlafplatz erreicht, denn der Tidenhub beträgt hier knapp 0,5 m.
6.Tag. Um 5.30 Uhr taucht die Sonne aus dem Meer auf und lässt die Steilküste rot aufglühen, aber dann ziehen Seenebelschwaden auf und verschleiern die Sicht. Aus dem geisterhaften Morgennebel tönt gelegentlich das Rumpeln der Winde eines Kutters, der an einer Fischzuchtanlage arbeitet. Später setzt sich die Sonne durch und wir paddeln über das ölglatte Wasser zur Mündung des Horsens-Fjordes. Eine Insel, geformt wie ein Stiefel? ein liegender Bundschuh? Es ist nicht Italien, sondern Endelave im Kattegat. Im kleinen Hafen Snaptun liegt die bullige gedrungene und hochseetüchtige Fähre dorthin.
Möwenschwärme fliegen auf, als uns zwei Standup-Paddler entgegenkommen. Mit seitlichem Wind queren wir dann den weiten Fjord von Horsens; an Backbord liegen einige flache Vogelinseln und langsam taucht das bewaldete Ufer der Nordseite aus dem Dunst auf. Das Laub mancher Bäume ist schon rötlich und bräunlich gefärbt, so dass ich das Gefühl habe, in eine andere Jahreszeit, den Spätsommer, zu fahren. Am Ufer schwappt Wasser in ein angetriebenes verlassenes Kajak, dahinter laufen Pferde auf einer braunen vertrockneten Weide. Mühsam arbeiten wir uns nun gegen den Wind entlang des Waldrandes aus dem Fjord von Horsens heraus und legen schließlich müde in einer Schilfbucht mit flachem tangbraunen Wasser an (Kalsenakke). Kondensstreifen zeichnen ein gigantisches Kreuz – Sperrgebiet – an den Himmel über dem Kattegat. Dazu holt Christian aus der Bilge eine zerknitterte Kekspackung mit dem Aufdruck „für die besonderen Verwöhnmomente“, also erschöpft zwischen Tang und Matsch. Das Wasser fällt wegen der einsetzenden Ebbe und wir haben daher Mühe, die Schilfbucht nach der Mittagsrast zu verlassen.
Wir paddeln nordwärts Richtung Aarhus und umrunden dabei schlickige Wattflächen mit vorgelagerten Kies- und Sandbänken. Beim Hafen Hov wollen wir eine Umfahrung abkürzen und paddeln im flachen Wasser durch Algen und Schlick über das landseitig hinter einer Sandinsel liegende Watt, während wir von auf Steinen hockenden Vögeln beäugt und – ausgelacht! – werden. Denn die Ebbe ist schneller, und als wir im weichen Schlick trocken zu fallen drohen (was einer Strandung gleich käme), kehren wir schleunigst um und erreichen mit Mühe, die Boote treidelnd, wieder tieferes Wasser. War da nicht ein hämisches Gackern und Quäken zu hören? Wir nehmen den Umweg um die Sandbank in Kauf und lassen vor uns die Fähre nach Samsö passieren. Abends rasten wir am Strand von Kysinge unterhalb einer Steilküste, über die immer wieder Menschen äugen, denn oben finden sich ein Parkplatz und ein Landgasthof. Ein Paar mit einem Inuitjungen trinkt abends Bier am Strand, dann wird es still und ich schlüpfe neben dem Kajak unter mein Tarp.
7./8.Tag. Morgens brummen zwei Hummeln im Duett und besuchen die violetten Blüten der Büsche am Fuß der Steilküste. Krabben haben nachts merkwürdige Spuren im Sand hinterlassen. Es ist ein heller früher Sommermorgen und wir bekommen Wasser von den freundlichen Wirtsleuten des Landgasthofes spendiert. Nach Meeresbad und Frühstück beschließen wir, nicht nach Tunö und Samsö zu paddeln, sondern in Richtung von sieben großen metallenen Giraffen, die sich am Horizont abzeichnen. Es sind Kräne des Hafens von Aarhus, der langsam näher rückt. An einem Strand mit Holzbuden und Booten liegt das zerschellte Wrack eines Segelbootes, und nebenan sind die weißen und braunen Zelte eines Wikingerlagers aufgebaut. Die Bewohner tragen dazu passende Tracht, nur die Bademode der Wikinger ist nicht ganz stilecht. Aufgepasst, ab und zu rollen mächtige Wellen der Schnellfähre nach Seeland den Strand hinauf, dann muss man Kajaks, Matten, Handtücher und Kinder vor dem Fortspülen sichern; ein Paddler hatte uns eindringlich davor gewarnt. Im Bereich einer Großstadt ist es schwer, einen Übernachtungsplatz zu finden, und der Kajakclub Viking hat leider keine Zeltwiese. Wo können wir nur bleiben? Im Seglerhafen spricht Christian eine Frau im roten Sommerkleid an, die sich mit einer Segeljolle und zwei unerfahrenen Mitseglern abmüht, wobei sie Englisch redet. Lotta kommt aus Estland und studiert in Aarhus. Spontan bietet sie uns Unterkunft im Studentenwohnheim an, was wir erleichtert und dankbar annehmen. Als die Crew von ihrem Segeltörn zurück ist, wandern wir zum Wohnheim, nachdem die Kajaks im Schuppen des Segelvereins verstaut sind. Der folgende Tag in sommerlichen Aarhus war interessant (Leihfahrräder, botanischer Garten, Gewächshaus, Kirchturm…), gehört aber nicht zur eigentlichen Paddeltour.
9.Tag. Unsere Boote sind unbeschadet bei den Seglern geblieben und wir starten vom Jollensteg aus, nachdem wir uns von unserer Gastgeberin verabschiedet haben. Endlos müssen wir dann entlang der Hafenmole paddeln, passieren den Wasserflughafen, und begegnen der gefürchteten Schnellfähre genau beim Auslaufen. Glücklicherweise fährt sie langsam und ihre Wellen sind eher ein gewaltiges Heben und Senken als Brecher, die auf die Findlinge der Hafenmole schlagen. Dann gilt es noch die unbekannte Fahrrinne des Seehafens rasch zu queren, was ein ungutes Gefühl weckt, und anschließend umrunden wir das Feld einer internationalen Segelregatta. Zurück blickend sehen wir die moderne Hafencity von Aarhus, die mit ihren dreieckigen Hochhäusern und Kränen wie ein futuristisches Riesenspielzeug wirkt, vor dem die bunten Segelboote entlangsausen.
Nachdem wir das Regattafeld der bunten kleinen Segler umfahren haben, queren wir die Kalö-Bucht mit ihren zunehmend kabbeligen Wellen und machen Pause an einem kleinen Kap, wo überraschend wieder „Tsunami-Wellen“ der Schnellfähre nach Seeland auf den Strand rollen und die Boote misshandeln. Man sieht sie nicht kommen und dann sind sie plötzlich ganz groß. Bei stetem Gegenwind geht es nachmittags weiter in die Begtrup Bucht, wo wir müde geworden am Fuß einer abgelegenen, mit Büschen bewachsenen, Steilküste den Platz für die Nacht finden. Abends warte ich am Feldrand stehend lange auf die Mondfinsternis, der Erdtrabant zeigt sich später als roter Blutmond. Vorher aber rattert der örtliche Bauer auf seinem Quad über die weiten Stoppelfeder heran und fragt erst auf Dänisch, dann auf Englisch misstrauisch: „What are you doing here?“ Ich erkläre die Lage und er sagt „Ok, you do not look like a hunter. But do not make fire.“ Er hielt uns für Wilderer…
10.Tag. Klar, bei der Trockenheit zündeln wir nicht. Am nächsten Morgen passieren wir die Wattflächen der Begtrup Bucht, sehen Luftspiegelungen, baden mittags an sonnigen Südsee-Sandstränden am Fuß der Molsberge und halten später auf den Leuchtturm von Sletterhage zu, wo uns Frachtschiffe dicht unter Land begegnen. Eine Betonröhre, ein ehemaliger Bunker, wirkt dort als Unterschlupf wenig einladend. Für den Nachmittag gibt es eine Sturm- und Gewitterwarnung, die uns unruhig macht. Wir paddeln unter Hilfssegeln in der Schwüle weiter die Steilküste entlang, an der Möwen und Schwalben wild kreisen (vielleicht das Unwetter ahnend) und landen schließlich an einem kleinen Strand mit einer kaum auszumachenden Zeltwiese; hinter Hagebuttensträuchern schlagen wir dort die Zelte auf. Kaum sind wir damit fertig, bricht das Unwetter mit Regenschauern und Windböen über die Bucht von Ebeltoft herein. Das war gerade noch rechtzeitig!
11.Tag. Der nächste sonntägliche Morgen zeigt sich sonnig und ein deutsches Paar, das seit Jahren an diesem abgelegenen Strand Urlaub macht, bringt uns netterweise eine große Tüte Brötchen zum Frühstück mit. Das ist ein Luxus! Frisches Wasser bekommen wir an einem Ferienhaus am Hang, dessen Bewohner uns vor dem Gewitter heransegeln sahen. Da die Bucht von Ebeltoft doch sehr breit wirkt, fahren wir sie aus und nutzen dabei zunächst den angenehm schiebenden Wind, Schweinswalen und an Netzrändern wippenden Bojenreihen begegnend. Ebeltoft zeigt sich interessant, aber nicht sehr einladend mit seinem vollen Campingplatz an einem Strand voller Tang. Im Museumshafen liegen das Feuerschiff „Skagen Rev“ und die imposante Fregatte „Jylland“ (Segelschiff der Marine des 19. Jahrhunderts), deren Galionsfigur stolz und ungerührt über kleine Kajakmenschen hinwegblickt.
Weiter geht es am Nachmittag durch flaches Wasser, Vögel stehen auf Sandbänken mitten im Meer, und an einem Fährhafen vorbei, der wieder durch schier endlose Steinmolen umgrenzt ist, auf denen große Windräder installiert sind. Wird die bedrohlich aussehende Katamaranfähre nach Seeland im falschen Moment losfahren? Sie tut es nicht, so dass wir das offene Kattegat erreichen. Auf der Steuerbordseite liegt die Leuchtturminsel Hjelm, die gerade von einem Schiff angebaggert werden soll, das Christian allerdings mit energischen Paddelschlägen vertreibt (Beweis siehe Bild). Wind kommt erneut auf, und abends erreichen wir den steinigen Strand von Boeslum, wo das Meer meterhohe Kies- und Geröllbänke aufgeworfen hat. Ich lege mich unter mein Tarp neben das Boot, aber die nächtliche Brise lässt die Zeltbahn so kräftig flattern, dass ich nur wenig schlafe.
12.Tag. Müde brechen wir an einem Montag, dem letzten Paddeltag, in Richtung Grenaa auf. Die Küste ist einsam, meist steinig, hier und da bewaldet, und zur Abwechslung passieren wir eine abgelegene Jagdhütte, eine aufgeblasene Riesengiraffe, die auf einem Campingplatz wohnt, und schließlich noch die Anlegebrücke eines verlassenen Kieswerkes, auf deren Förderbändern und Geländern schwarze Kormorane neben einer einzelnen weißen Möwe Spalier stehen.
Es weht kein Wind mehr, die Luft scheint zu stehen, aber dennoch ist das Anlanden wegen der Dünung schwierig, denn das Boot kracht dabei auf fußballgroße Steine. Unser Ziel Grenaa rückt unendlich langsam näher, aber schließlich landen wir am dortigen Sandstrand. Ich bin drauf und dran, mir den Luxus eines Scandic-Hotels mit Bett und Dusche zu gönnen, aber wir bleiben schließlich in der Marina des Segelhafens. Mühsam ist es, die schwer bepackten Boote die steile schlickige Rampe hinauf zu ziehen. Glück haben wir, denn der Hafenmeister weist uns freundlich eine kleine vertrocknete Zeltwiese mit Tisch und Bänken zu, Duschen gibt es auch, und die Boote lagern sicher zwischen dem Gerümpel der Bootstrailer, rostigen Metallgestelle und Schiffsreste, das so typisch für kleine Häfen ist. Abendliche Attraktionen von Grenaa sind eine Abwrackwerft, ein alter Seenotrettungskreuzer, Spezialschiffe für Ölplattformen und Off-shore Windräder, rote Lotsenboote, eine museumsreife Eisenbahnfähre, wieder endlose Molen und die Fähre nach Anholt. Ein pfeiferauchender Inuit und sein junger Begleiter mit verspiegelter Sonnenbrille (cool!) tuckern mit ihrem Fischerkahn auf das Kattegat. Wir sind nun am „richtigen Meer“ angekommen, und hier endet unsere Tour auch.
Es bleibt noch zu sagen, dass die Rückfahrt mit Bus und Bahn nach Flensburg an einem halben Tag wie im Flug verläuft, gefühlt rasend schnell nach Aarhus, durch Horsens und am Vejle Fjord vorbei, über den Snövring bei Fredericia, durch die Passkontrollen (Militär in Padborg) und von Flensburg per Taxi nach Neukirchen, und gleich wieder mit dem Auto zurück nach Grenaa, und abends und nachts wieder nach Kiel zurück, damit dreimal am Tag die Strecke umfassend, die mit dem Kajak viele Tage lang gedauert hatte. Das „normale Tempo“ hat damit wieder eingesetzt…